Briefmarken-Literatur
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Michel Deutschland-Spezial in 2 Bänden
Typ: Katalog
Herausgeber: Schwaneberger-Verlag GmbH
ISBN: ja (im Buchhandel erhältlich)
Preis: Jahrgang 2001  € 20,- (in einem Band)
Jahrgang 2008  € 66,- je Band
Jahrgang 2011 € 74 je Band
Erscheinungsrhythmus: Jährlich etwa im April
Tatsachen
Aufgeteilt in zwei Bände, die einmal den Zeitraum ab 1850 bis 1945 und in Band 2 ab Mai 1945 jeweils bis Ende (Bund) beinhalten, zählt er zum Komplettesten, das der deutsche Briefmarken-Katalogmarkt zu bieten hat.
Abgesehen von den die negativen Einflüsse der Briefmarkenlobby erklärenden Einlassungen, vermittelt eine gelungene Einführung in die beiden Bände viele Einsichten und beschreibt diverse, leider nicht alle Handhabungen.
Die Standardanforderungen sind, abgesehen von den unsinnigen Markenbewertungen, weitestgehend erfüllt.
Ein Katalog für alle Sammler, nicht nur für Spezialisten, sondern insbesondere für Anfänger. Gerade die noch nicht so versierten Sammler erhalten durch diesen Katalog auf die meisten ihrer Fragen, und die werden nie aufhören, kompetente Antworten, können jahrelang mit diesem Katalog arbeiten – und das zählt.
Gültigkeitsdauern und die Angaben zu den Auflagen sind hier selbstverständlich. Wasserzeichen-, Gummierungs- und Zähnungsunterschiede, Druck- und Plattenfehler, die meisten Randzudrucke werden erwähnt, oft vertieft behandelt und dann, leider nur auch wieder mit Händlerpreisen, bewertet. Detailliert sind bei entsprechenden Dauerserien die Unterschiede zwischen Bogen und Rollenmarken mit Bewertungsversuchen beschrieben, Platten- und Druckfehler, Wasserzeichen-, Gummierungs-, Zähnungs- und Farbunterschiede gehören ebenso dazu wie die relativ ausführliche Behandlung von Markenheftchen und Zusammendrucken sowie Rollenmarken.
Sicher habe ich noch einiges vergessen, was aber nicht so schlimm ist, denn auf Reales bezogen ist er wirklich gut.
Mit den Tabellen der Postgebühren wird der Nutzer befriedigend in die Lage versetzt die Portis seiner Sammel-Briefe auf deren Richtigkeit zu prüfen.
Ausführlich wird das Thema Prüfer (Prüfgebiet und Anschriften) und Prüfung (Prüfordnung) von Briefmarken behandelt.
Differenzen
Der Informationswert des Michel Deutschland-Spezial ist also erfreulich hoch, ein wirklich gelungenes Werk, wenn, ja wenn da nicht diese unsinnigen, den Sammler extrem stark benachteiligenden Bewertungen der Briefmarken wären.
Diese „Bewertungen“ machen ihn leider zu einem reinen Händler- oder Verkaufskatalog (wer sich erinnert: Neckermann?), der, eher zufällig?, auch für Briefmarkensammler von großem Nutzen ist.
Die angegebenen Bewertungen haben aus Sammlersicht mit dem Wert der bewerteten Briefmarken nicht das geringste zu tun, was mit zwei Beispielen belegt werden soll.
Die postfrische Frauenserie (1987 bis 1991) von Berlin wird seit vielen Jahren fast unverändert mit € 70,-- bewertet, während man sie im Internet zwischen € 5,--und € 7,50 bekommen kann. Was sind das für Katalogpreise, die um bis das 14-fache überhöht sind? Und die Tragik für den Briefmarkensammler erkennt man, wenn man weiß, daß der Handel diese Serie für über € 20,-- verkauft. Tatsache ist damit, daß ein gutgläubiger Sammler im Moment eines solchen Kaufs 75 % Verlust hat.
Gestempelt liegt ihr Preis bei € 220,--. Wofür? Es gibt sie oft ersttags- oder Berlin-12-gestempelt (zum Spottpreis kaum verkäuflich), sehr häufig unleserlich eckgestempelt (dafür ist jeder Preis um 100 % zu hoch), prüfbar bundgestempelt (dafür soll der Katalogpreis gelten) meist nur als Einzelmarken und, so gut wie nie, und dann auch wieder immer nur als Einzelmarken mit lesbarem Teil- (laut Michel € 275,--) oder gar zentrischem Berlinstempel. Wofür gilt der Preis?
Und was ist davon zu halten, daß ein (selbsternannter „großer“) Händler einen postfrischen Posthornsatz, 14 Tage bevor er im Michel von € 2.500,-- auf € 2.200,-- herabgestuft wird, als Superangebot für diese „Rarität“ mit € 1.950,-- anbietet, während er in gleicher Qualität im Internet für € 700,-- zu bekommen ist.
Und was ist der Grund für z.B. einen Katalogpreis von € 2,60 für eine postfrische Briefmarke (willkürlich ausgewähltes Beispiel: MiNr. 1445), mit einer Auflage von 59,78 Mio. Stück (damals für fast jeden Bundesbürger eine) – die sammlerisch effektiv ohne Wert ist?
Bemängeln muß man auch, daß den Machwerken der Briefmarkenlobby, also den FDC, ETB, Erinnerungsblättern, ja, sogar Jahresgaben eines der Post, den Katalogverlagen und Händlern nahestehenden Verbandes, alles speziell für Sammler hergestellt, mit Wertigkeit vortäuschenden Mondpreisen ausgestattet, soviel Platz eingeräumt wird, den dann letztendlich die Käufer dieses Katalogs bezahlen müssen.
Das alles macht einen sehr unlauteren Eindruck!
Bewertung
Je höher die Auflage eines zu verkaufenden Produkts ist, um so niedriger kann sein Preis sein. Man muß, so man einen gesunden moralischen Anspruch hat, will man die Vermutung ausschließen, ein Verkäufer will sich mit einem sehr hoch erscheinen Preis bereichern, annehmen, daß die Auflage des zu verkaufenden Produkts wirklich niedrig ist.
Es besteht nun aber, nicht nur im Falle dieses Katalogs, die große Gefahr, daß sich solch übertrieben hohe Preise eines für die breite Sammlerschaft interessanten Katalogs kontraproduktiv auswirken: immer weniger Sammler können, wollen oder brauchen (aufgrund auch der übrigen Mißstände in der Philatelie) ihn sich nicht mehr zu leisten.
Trotz der genannten und erkennbaren Negativpunkte ist dieser Katalog empfehlenswert, die beste Informationsquelle für Deutschlandsammler.
Wenn die Sammler verinnerlichen, daß die heutigen Bewertungen der Briefmarken für ihn keine positive Relevanz haben, ihn im Gegenteil übervorteilen, kann man mit diesem Katalog wunderbar leben.
Aber nichts desto trotz: die Philatelie hätte besseres verdient
Urteil
Trotzdem empfehlenswert!
TIPP
Dieser Katalog ist teuer und von Jahr zu Jahr steigt, wie eingangs dieser Besprechung zu lesen ist, der Preis rasant. Seit 2001, also innerhalb von 10 Jahren, wurde er um 740 % teurer. In dieser Entwicklung sind sicher eine ganze Reihe von logischen Ursachen enthalten, z.B. die Neuausgaben vom Bund (ca. 10 Seiten pro Jahr, in 10 Jahren also ca. 100 Seiten) oder die farbige Gestaltung oder Material und Lohnkosten. Aber, ist denn das 7,4-fache nötig?
Nun wissen wir außerdem, daß die Briefmarkenbewertungen dieses Katalogs für uns Sammler irrelevant sind, können wir uns voll auf seinen Informationswert konzentrieren – und da ist er das Beste, was es für uns Sammler gibt.
Und wenn wir nun noch bedenken, daß sich die für uns interessanten Informationen kaum noch ändern werden, stellt man sehr schnell fest, daß man diesen Katalog nicht jährlich neu kaufen muß, sondern ihn über viele Jahre lang nutzen kann.
Man muß den Katalogmarkt jedoch trotzdem beobachten, denn sollten die Bewertungen irgendwann den Sammlerwert der Marken betreffen und sich jährlich ändern, werden wir Sammler diesen Umstand nutzen wollen.